Hier ein toller Bericht, den ich im Mai 2006 im Magazin "11Freunde" entdeckt habe. Er wurde von Arnd Zeigler verfasst und den will ich euch nicht vorenthalten:

 

"Ey, können wir Foto?"

Der Traum eines jeden Fans: Einmal sein großes Idol treffen, Hallo sagen, Foto machen und sich die besten Tricks zeigen lassen. Die Realität hingegen ist oft ernüchternd. Weder sagt man selbst besonders intelligente Sachen, noch entstehen bei solchen Begegnungen Freundschaften fürs Leben, weiß Arnd Zeigler aus Erfahrung.

Jeder junge Fußballfreund, dessen Herz unauslöschlich für einen Verein, einen Spieler oder für den Fußball ganz allgemein entflammt ist, hat einen Traum: Irgendwann einmal seinem Idol begegnen! Ich kann mich erinnern, dass ich als kleiner Junge einmal ganz aufgewühlt aufgewacht bin, weil ich wirklich geträumt hatte, Franz Beckenbauer sei in unserer Straße spazieren gegangen! Ich war damals sehr klein! Sehr, sehr klein! Und für die jüngeren Leser: Beckenbauer hatte seinerzeit einen schwarzen Lockenkopf und spielte auch ganz gut Fußball. In Wirklichkeit war der "Kaiser" nie in seinem Leben in Kirchweyhe, und die Prognosen für die Zukunft stehen auch eher schlecht. Meistens ersehnt man so etwas vergeblich, aber in ganz seltenen Fällen bewahrheitet sich dieser Traum sogar irgendwann einmal. Problematisch aber: Wenn man seinem Star dann plötzlich gegenübersteht, weiß man nicht, was man tun soll. Es ist ja so: Für den so vertrauten Lieblingsstar ist man eine völlig fremde Person, und große Fußballstars fiebern nicht permanent einem Treffen mit dem Fan entgegen, weil sie von derartigen Treffen sowieso ca. 20 Stück pro Tag erleben, egal wo auch immer sie hingehen.

Folge ist: Jeder Fan bemüht sich, etwas ganz Bedeutendes zu sagen. Gleichzeitig denkt jeder Star so etwas wie: "Oh, schon wieder einer." Es gibt in einer solchen Situation aber nichts, was man einem Star sagen könnte, was dieser nicht sowieso dauernd zu hören bekommt. Außer vielleicht "Die Summe der Winkel in einem Dreieck beträgt immer 180 Grad!" Meistens sagt man ja Dinge wie "Hallo Tim, alles klar?" oder "Hallo Frank, wann ist euer nächstes Spiel?" oder "Ey, können wir Foto?" In einem solchen Moment bekommt man rote Bäckchen und schwitzt vor Aufregung. Eine Stunde später denkt man: "Ich habe mich benommen wie der allerletzte Affe!" Und man stellt sich vor, wie Herr Tim, Herr Frank und Herr Ey zuhause die Sporttasche in die Ecke pfeffern, sofort synchron Klinsmanns Nummer wählen und dann losprusten: "Nie glaubst du, was mir heute passiert ist, Trainer! Ich habe einen unfassbar bescheuerten Fan getroffen! Der wollte sogar ein Foto machen und hat allen Ernstes gefragt, wann wir wieder spielen!!"

Diese Befürchtung ist unbegründet. Für Spieler sind Treffen mit Fans ein Teil ihres beruflichen Alltags. Das ist kein Vorwurf, sondern logisch. Siehe oben: Für den Star bist du zwangsläufig einer von vielen, egal wie oft du in Gedanken Tims Sporttasche tragen durftest. Manche Stars schaffen es, den Fans dennoch ein Gefühl zu geben, ernst genommen zu werden. Das ist aber die Ausnahme. "Star-trifft-Fan-Begegnungen" gehören zum Berufsbild des Fußballprofis dazu wie das Packen der Sporttasche oder das Auslaufen. Fans finden das in der Regel blöde, weil es jeglicher Fußballromantik widerspricht. Wer sich aber vorstellt, an einem einzigen Tag von 20 Unbekannten angesprochen zu werden, die alle mal eben ein Handyfoto machen wollen, ey, der wird vielleicht verstehen, dass man da als Spieler nicht immer wie ein Apparat funktioniert.

Die Quintessenz: Stars bemühen sich in aller Regel um einen offenen, freundlichen Umgang mit Fans. Jeder Fan sollte aber verstehen, dass Fußballer andersherum nicht in jeder Lebenslage auf Knopfdruck charmant und sonnig gestimmt sein können. Das verlangt man nicht von seinem Deutschlehrer, das verlangt man nicht von seiner Mutter, und das sollte man auch nicht von seinem Mannschaftskapitän fordern. Der Fan, der in seinem Alltag grundsätzlich auf Kommando lächelt und nett ist, werfe den ersten Ball.

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